"Mit mir aber ist es was anderes"


Die Ausnahmestellung Hans Castorps in Thomas Manns Roman "Der Zauberberg"


Zusammenfassung der Dissertation
Textprobe: Die Einleitung



Zusammenfassung der Dissertation von Christian Gloystein mit dem Titel "Mit mir aber ist es was anderes." Die Ausnahmestellung Hans Castorps in Thomas Manns Roman "Der Zauberberg" 

"Der Mensch soll um der Güte und Liebe willen dem Tode keine Herrschaft einräumen über seine Gedanken."
Thomas Mann lässt seinen Protagonisten Hans Castorp im zentralen Abschnitt Schnee diese Essenz einer "neuen" Vorstellung von Humanität träumen - und gibt ihn in der Folge dennoch dem Verfall preis. Diese weit verbreitete These versucht die Untersuchung mit Hilfe einer werkimmanenten Vorgehensweise zu widerlegen.

Im Hintergrund steht die Frage, ob Thomas Mann die Überwindung der Dominanz der "Sympathie mit dem Tode" auf nachvollziehbare Weise in den fiktionalen Text Der Zauberberg implementiert hat. Die Ausnahmestellung Hans Castorps innerhalb der Figurenkonstellation des Zauberbergs ist der Schlüssel zur Beantwortung dieser Frage. Ausgehend von der Annahme, daß nur Hans Castorp jene Erfahrung im Schneegebirge macht, die ihn mit einem Wissen ausstattet, von dem die anderen Figuren nichts erahnen, lässt sich belegen, dass eine Separation Hans Castorps von allen übrigen Figuren intendiert ist, und dass sich die Auswirkungen des Gedankentraums verstärkt im Rahmen dieser Differenzierung bewegen. Die kontinuierliche Projektion des im Abschnitt Schnee entwickelten Verständnisses von Humanität auf das Denken und Handeln Hans Castorps untermauert den besonderen Stellenwert des Gedankentraums und die Position des Abschnitts im Gefüge des Romans.

Dem Tode die Herrschaft über die Gedanken zu entziehen bedeutet für Hans Castorp, die Widersprüche des Lebens, seine Ambivalenz auszuhalten. Die Liebe ist Ausdruck dieser Geisteshaltung. Liebe im Zauberberg heißt übertragen Toleranz, heißt Menschlichkeit, heißt Leben, heißt alles, was aus der Freiheit der Gedanken, aus dem Umgang mit Ambivalenz resultiert. Die übrigen Figuren räumen dem Tod die Herrschaft über ihre Gedanken ein, sie polarisieren Meinungen und drängen auf die Bewahrung und Durchsetzung der eigenen Lebensweise oder Ideologie. Der Versuch, Ambivalenz auszuschalten, bleibt notwendigerweise erfolglos. Schließlich sterben sie oder verbleiben als Relikte einer überholten Zeit auf dem "Zauberberg". Hans Castorp dagegen handelt nach seinen Erkenntnissen: Nach dem Gedankentraum setzt er sich für die Abkehr von der Monarchie, für Meinungsfreiheit, für Gerechtigkeit und für die Gleichstellung der Geschlechter ein. Ihm ist es vorbehalten, Vorbote einer humanen Zukunft im Sinne des Gedankentraums zu sein. Mit Hans Castorp hat Thomas Mann einen Helden der Moderne geschaffen und sich von einer übermächtigen "Sympathie mit dem Tode" freigeschrieben.


Textprobe: Die Einleitung 

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Am 8. November 1953 schreibt Thomas Mann an Maria Bradt:

Er [Der Zauberberg] ist kaum noch von "mir", hat sich losgelöst von meiner Person und führt sein eigenes Leben (DüD I:589).

Mehr als siebzig Jahre nach seinem Erscheinen ist Der Zauberberg lebendiger denn je und ein Musterbeispiel für die These, daß die Gesamtbedeutung eines Kunstwerks sich nicht allein aufgrund seiner Bedeutung für den Dichter und seine Zeitgenossen definieren läßt, sondern auch das Resultat eines Wachstumsprozesses ist, der sich durch das konstante Leserinteresse und die Geschichte der Literaturkritik herausbildet (Wellek/Warren &simg/up2;1995:43)[FN 1]. Letztere ist, nicht nur was die Anzahl der Studien über den Roman anbelangt, sehr bewegt. Manfred Dierks (1979:355) erklärt das Phänomen, daß wohl recherchierte Studien zu deutlich voneinander abweichenden Ergebnissen gelangen, folgendermaßen:

Den unterschiedlichen Interpretationen von Texten Thomas Manns liegen meines Erachtens zwei einfache Sachverhalte zugrunde: Die Interpreten vermögen rein quantitativ nicht, die auf der personalen und auktorialen Ebene erzeugten Bedeutungen in ständigem Überblick zu organisieren; sie gehen so notwendig selektiv vor. Zum anderen bleibt die Behandlung des Verweissystems quantitativ und qualitativ unzureichend; qualitativ, weil Bedeutung und Funktionszusammenhang eines Leitmotivs je nach Verfahren unterschiedlich rezipiert werden.

Die Geschichte der Literaturkritik über den Zauberberg veranschaulicht die Notwendigkeit der Selektion. Die Argumentation in dem Großteil der Monographien über den Roman und dessen Umfeld basiert jeweils auf von den Forschern ausgewählten Einflußfaktoren.[FN 2] Dabei ist keine der zwangsläufig einzunehmenden Perspektiven geeignet, das gesamte Spektrum des Zauberbergs zu erfassen (vgl. Joseph 1996a:5f.; Wißkirchen 1997:143ff.). Studien über den Zauberberg sind Mosaiksteine verschiedener Größe, die erst gemeinsam das "lebendige Kunstwerk" abbilden.

Das Augenmerk der vorliegenden Untersuchung liegt auf einer werkimmanenten Analyse des Zauberbergs mit besonderer Gewichtung der Kapitel sechs und sieben. Den Umgang mit dieser Methode schreibt der fortgeschrittene Stand der Forschung und eine zentrale Aussage des Zauberbergs vor: Ein übertriebener Dogmatismus bei der Umsetzung eines Prinzips führt zu einer Einengung der Perspektive und versperrt den Blick für das Wesentliche.[FN 3] Mit der Verdeutlichung der Stringenz des Romans speziell nach dem einschneidenden Abschnitt Schnee soll eine Lücke in der Abbildung des Zauberbergs geschlossen werden, die sich, wie im einzelnen nachzuweisen sein wird, in der Forschungsliteratur auftut. Das Selektionskriterium der Untersuchung ist die Leitmotivstruktur; die Bestimmung der logischen Gedankenfolge des fiktionalen Textes erfolgt über die Ermittlung von Leitmotivverbindungen. Die Funktionsweise der Leitmotivtechnik wird im folgenden Kapitel skizziert, damit die Besonderheiten des Verweissystems und Schwierigkeiten bei dessen Behandlung greifbar werden.

Die Darstellung vom ersten Band des Zauberbergs - die ursprünglich zweibändige Ausgabe endet mit dem Abschnitt Walpurgisnacht - ist im Verhältnis zu jener des zweiten Bandes von konzentrierter Form. Damit wird der Tatsache Rechnung getragen, daß über den Verlauf der Entwicklung Hans Castorps bis zum Abschnitt Walpurgisnacht in der Forschung grundsätzlich Einigkeit besteht.[FN 4] Das Gewicht wird vor allem auf Aspekte gelegt, die für das Gesamtverständnis des Romans unverzichtbar sind, die die Grundlage dessen darstellen, was Castorp im verschneiten Gebirge im Traum sehen und denken wird, und die nach dem Traum eine besondere Rolle spielen. Das dritte Kapitel dieser Untersuchung schließt ferner die Analyse der ersten drei Abschnitte um Naphta und des Abschnitts Schnee mit ein. Diese Gliederung stellt den Gedankentraum an das Ende eines Weges, der Hans Castorp über das Studium des Todes zum Lebensgedanken führt.

Zunächst bringt Clawdia Chauchat Hans Castorp die "körperliche Bewandtnis mit dem Tode" (Zbg:42) nahe, die er vor dem Totenbett seines Großvaters von der "zeremoniellen" unterschieden hatte. Hans Castorps ausgeprägtem Bedürfnis, dem Tode die gebührende Achtung entgegenzubringen, genügt das lässige, körperbetonte Wesen der Russin jedoch nicht. Nach ihrer Abreise tritt Naphta auf den Plan, mit dessen Hilfe Castorp der "zeremoniellen Bewandtnis mit dem Tode" auf den Grund geht. Bei aller Beschäftigung mit dem Tod reift eine Sympathie mit dem Leben, die sich in Castorps Interesse an der Natur und in seinem Verantwortungsgefühl für die Beantwortung der Frage nach dem "Stand und Staat des Menschen" (Zbg:654) äußert. In enger Verbindung mit diesem Problem steht die von Naphta und Settembrini aufgeworfene "aristokratische Frage" (Zbg:649), die Frage, welche Erhöhung des Menschen die vornehmere ist, jene von seiten des Geistes oder jene von seiten der Natur. Während Castorp im Gedankentraum zu der Erkenntnis gelangt, daß der Mensch "Herr der Gegensätze" (Zbg:694) ist, verwickeln sich Naphta und Settembrini bei dem vergeblichen Versuch, die Vornehmheit auf seiten des Geistes beziehungsweise der Natur zu lokalisieren, in Widersprüche. Die von ihnen vertretene dualistische Sichtweise erweist sich als ungeeignet, das Wesen der "neuen" Vorstellung von Humanität, die auf dem Zusammenspiel der Gegensätze fußt, zu erfassen.

Die werkimmanente Analyse des Abschnitts Schnee fördert keine neuen Erkenntnisse zu Tage, allerdings werden im Vergleich zu vorherigen Studien die Akzente anders gesetzt. Auf der einen Seite wird die Bindung der Ereignisse im Schneegebirge zu den vorangegangenen Kapiteln betont, auf der anderen Seite erfolgt die Darstellung der Erkenntnisse im Hinblick darauf, daß sie die weiteren Handlungen Hans Castorps maßgeblich beeinflussen. Diese Art der Darstellung trägt erstens dazu bei, im weiteren Verlauf der Untersuchung den Unterschied zwischen der zum Ziel führenden "Steigerung" Hans Castorps und der stagnierenden der übrigen Figuren zu kennzeichnen, zweitens dem berühmten Satz "Der Mensch soll um der Güte und Liebe willen dem Tode keine Herrschaft einräumen über seine Gedanken" (Zbg:694f.) den abstrakten Charakter zu nehmen und drittens die mehr oder minder wirklichkeitsnahen Konsequenzen dieses Gebots aufzuzeigen.[FN 5]

Der Nachweis und die Akzentuierung der Ausnahmestellung Hans Castorps innerhalb der Figurenkonstellation des Zauberbergs ist das zentrale inhaltliche Anliegen dieser Untersuchung.[FN 6] Ausgehend von der Annahme, daß nur Hans Castorp jene Erfahrung im Schneegebirge macht, die ihn mit einem Wissen ausstattet, von dem die anderen Figuren nichts erahnen, läßt sich belegen, daß eine Separation Hans Castorps von allen übrigen Figuren intendiert ist, und daß sich die Auswirkungen des Gedankentraums verstärkt im Rahmen dieser Differenzierung bewegen. Der Grundstein für die Organisation der Figurenkonstellation wird mittels Leitmotivverknüpfungen nach der Abreise Clawdia Chauchats gelegt, hier nimmt Hans Castorps intensive Auseinandersetzung mit der Frage nach dem "Stand und Staat des Menschen" ihren Anfang. In dieser Phase kommt Hans Castorp auch das erste Mal einer "Inkorrektheit" auf die Spur; Naphtas weitreichende Gedankenspiele lassen sich nicht mit seinem Jesuitentum vereinbaren (Zbg:574). In der Folge zeigt sich, daß alle Protagonisten auf ihre Weise "inkorrekt" sind. Das dualistische Prinzip ist im konzeptionellen Kern der Figuren aufgenommen, widersprüchliche Verhaltensweisen und Äußerungen stehen sich als unvereinbare Gegensätze gegenüber. Hans Castorp sieht darin keine Unzulänglichkeit, schließlich ist der Mensch "Herr der Gegensätze" (Zbg:694). Die übrigen Figuren aber stehen nicht zu ihrer "Inkorrektheit", in "absolutem Geist" (Zbg:712) verteidigen sie ihre Verhaltensweisen und Äußerungen. Dieses Denken und Handeln in "absolutem Geist", das auf der Leitmotivebene bei allen Figuren außer Hans Castorp sichtbar wird, erweist sich als Indiz dafür, daß die Figuren dem Tode die Herrschaft über die Gedanken einräumen. Die Gegenüberstellung der Figuren, die Schematisierung der Figurenkonstellation mit der Lokalisierung allein Hans Castorps auf der lebenszugewandten Seite versucht eine in der Forschungsliteratur vorherrschende Annahme zu entkräften, die Lebenszugewandtheit des Romans auch oder vor allem bei Settembrini zu suchen.[FN 7]

In der Peeperkorn-Episode tritt Hans Castorps Wissensvorsprung besonders deutlich hervor. Die Episode wird der Übersichtlichkeit halber in fünf Funktionsfelder eingeteilt: Das erste Funktionsfeld umfaßt die "Persönlichkeit" der Figur Peeperkorn, die als solche ein förderliches Bildungserlebnis darstellt - förderlich allerdings nur für Hans Castorp, der aufgrund seiner Erfahrung im Schneegebirge als einziger in der Lage ist, eine Förderlichkeit zu erkennen. Im zweiten Funktionsfeld soll der Nachweis dafür erbracht werden, daß sich Peeperkorn innerhalb der Figurenkonstellation den übrigen Figuren zuordnen läßt. Drittens werden die Gründe für Hans Castorps Distanzierung von Clawdia Chauchat erhellt, die sich durch ihr Verhalten nach der Rückkehr mit Peeperkorn nicht mehr grundsätzlich von den anderen Figuren unterscheidet. Das vierte Funktionsfeld der Peeperkorn-Episode besteht darin, Hans Castorps Vorstellung von Humanität durch die Gegenüberstellung mit Clawdia Chauchats Auffassung von "Mähnschlichkeit" (Zbg:782) einzugrenzen. Das fünfte Funktionsfeld schließlich belegt reformerische Ambitionen Hans Castorps, der sich mit Hilfe seines schelmischen Wesens gegen überholte "gesellschaftliche" Konventionen und gegen die Monarchie wendet.

Die verbleibenden Abschnitte nach der Peeperkorn-Episode dienen der Bewahrung der Erkenntnisse des Gedankentraums. Hans Castorp gerät in Versuchung, der Faszination der Macht des Todes wiederum zu erliegen. Doch er hat sich zu einem bewußten Abenteurer entwickelt, der aufgrund seiner zum Ziel geführten "Steigerung" die Tragweite der Experimente abschätzen und den dem "neuen" Humanitätsverständnis zuwiderlaufenden Kräften aktiv entgegenwirken kann. Die Abschnitte Fülle des Wohllauts und Fragwürdigstes veranschaulichen dieses Bewußtsein. Im Rahmen der Analyse des Abschnitts Die große Gereiztheit wird abschließend zur Figurenkonstellation Stellung bezogen. Anhand dieses Abschnitts läßt sich veranschaulichen, daß Naphta und Settembrini, obgleich sie doch "Sendboten" so gegensätzlicher "geistiger Bezirke" sind (EiZ:77), letztlich im Kontext des Romans nur "Sendboten" einer Macht sind - der Macht des Todes.

Im Hintergrund der werkimmanenten Analyse steht die Frage, ob auch Der Zauberberg ein "Sendbote" dieser Macht ist. Den werkimmanenten Standpunkt verlassend, läßt sie sich folgendermaßen formulieren: Hat Thomas Mann die Überwindung der Dominanz der "Sympathie mit dem Tode" auf nachvollziehbare Weise in den fiktionalen Text Der Zauberberg implementiert? Die Beweisführung setzt bei der sich nach dem Abschnitt Schnee herauskristallisierenden Wechselbeziehung zwischen Castorps Erkenntnissen aus dem Gedankentraum und der Organisation der Figurenkonstellation an. Die kontinuierliche Projektion des im Abschnitt Schnee entwickelten Verständnisses von Humanität auf das Denken und Handeln Hans Castorps untermauert in der Folge den besonderen Stellenwert des Gedankentraums und die Position des Abschnitts im Gefüge des Romans.[FN 8] Überdies erweist sich Hans Castorps Ausnahmestellung im Vergleich zu den übrigen Figuren als der entscheidende Gradmesser für die Auswirkungen des Gedankentraums. Die vorliegende Untersuchung versucht aufzuzeigen, daß dieses zentrale Ergebnis der werkimmanenten Analyse die "strukturelle" Auswirkung des Gedankentraums darstellt, die Kristiansen angesichts von Castorps fortschreitendem Verfall zu Recht anmahnt (&simg/up2;1986:299, vgl. a. Kapitel 3.3.3), und die Thomas Manns "Wendung zum Leben" auch im Zauberberg manifestiert.

Das Abschlußkapitel setzt Ergebnisse der vorliegenden Studie mit Tendenzen der Moderne und Postmoderne in Beziehung. Der Ideenkomplex "Ambivalenz" stellt die Grundlage dieser Verknüpfung dar. Im Zauberberg ist Ambivalenz ein Merkmal der im Gedankentraum geformten Vorstellung von Humanität, für die Moderne gilt die Kluft zwischen Ordnungsstreben und Ambivalenz als Charakteristikum und in der Postmoderne ist die Anerkennung von Ambivalenz Basis einer veränderten Sichtweise (Weiller 1994; Bauman 1995; Dierks 1996a). In der Form eines Ausblicks wird erörtert, inwiefern der Umgang mit Ambivalenz eine Rolle für die Erforschung von Thomas Manns Werk spielen könnte.



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Fussnoten:
FN 1: Als Textgrundlage für Thomas Mann dienen die Gesammelten Werke in Einzelbänden, Frankfurter Ausgabe, 20 Bände, 1980-1986, herausgegeben von Peter de Mendelssohn. Als Sigle für den Zauberberg (1981 [11924]) wird "Zbg" verwendet. img/up.gif

FN 2: Beispielhaft seien die folgenden Monographien genannt: Manfred Dierks (1972) untersucht die Bedeutung der Formel "Mythos und Psychologie" für den Zauberberg und das Werk Thomas Manns. Eckhard Heftrich (1975) befaßt sich mit der Thematik der Goethe-Nachfolge und dem Einfluß Wagners in der Monographie Zauberbergmusik. Über Thomas Mann. Gegenstand der Monographie Børge Kristiansens (&simg/up2;1986 [11978]) ist Thomas Manns "Zauberberg" und Schopenhauers Metaphysik. Werner Frizen (1980) beschäftigt sich mit Thomas Manns Rezeption von Schopenhauer und Wagner in der Monographie Zaubertrank der Metaphysik. Quellenkritische Überlegungen im Umkreis der Schopenhauer-Rezeption Thomas Manns. Hans Wißkirchen (1986) untersucht in der Monographie Zeitgeschichte im Roman. Zu Thomas Manns "Zauberberg" und "Doktor Faustus" den Einfluß der Quellen auf die fiktionalen Werke von Thomas Mann. Detaillierte Informationen zur Zeitgeschichte liefert auch die Monographie von Her-bert Lehnert und Eva Wessell (1991) Nihilismus der Menschenfreundlichkeit. Thomas Manns "Wandlung" und sein Essay Goethe und Tolstoi. Karl Werner Böhm (1991) konzentriert sich auf das Thema der Homosexualität in der Monographie Zwischen Selbstzucht und Verlangen. Thomas Mann und das Stigma Homosexualität. Michael Maar (1995) analysiert in der Studie Geister und Kunst den Einfluß von Andersens Märchen auf den Zauberberg. Erkme Joseph (1996a) unter-sucht die Präsenz von Nietzsche im "Zauberberg". img/up.gif

FN 3: Hans Wysling (1988:25f.) faßt in dem Aufsatz "Probleme der Zauberberg-Interpretation" prägnant zusammen: "'Werkimmanente' Interpretationen werden im hermeneutischen Zirkel immer wieder auf Stellen stoßen, wo ein Werk eine Auskunft verweigert. Der Interpret steht dann vor der Entscheidung, ob er auf diese Auskunft verzichten oder sie auf einem Umweg über die Biographie und Zeitgeschichte, vielleicht auch über den Vergleich mit werkexternen Modellen suchen will. Entscheidet er sich zu diesem Umweg, dann muß ihm klar sein, daß er das ihm Angebotene nicht einfach auf das Werk übertragen darf. Immerhin schärft ihm der Vergleich den Blick. Er muß zwischen der Skylla der Borniertheit - das Werk, und nichts außerdem! - und der Charibdys der Übertragung durchkommen. Das kann nur geschehen, wenn er sich werkexternen Fakten und Modellen gegenüber zwar offenhält, sich aber davor hütet, deren Referenzrahmen kurzschlüssig dem Werk aufzuzwingen." img/up.gif

FN 4: Es sei stellvertretend auf die Studien Eckhard Heftrichs (1975), Børge Kristiansens (&simg/up2;1986) und Erkme Josephs (1996a) verwiesen, die mit ihrer jeweiligen Zielrichtung ein weites Spektrum abdecken und eingehend über Castorps Werdegang bis zum Abschnitt Walpurgisnacht informieren. Die vorliegende Untersuchung nimmt die Wiederholung bereits bekannter Forschungsergebnisse in Kauf, um eine geschlossene Beweisführung zu gewährleisten. img/up.gif

FN 5: Helmut Koopmann (1995:68) weist in seiner anläßlich des Zauberberg-Symposiums 1994 in Davos gehaltenen Rede "Die Lehren des 'Zauberbergs'" auf die "Inhaltsleere" des Romans hin: "[...] wer die im "Schnee"-Kapitel ebenso eindrucksvoll wie bündig verkündete Lehre genauer betrachtet, muß feststellen, daß sie weitgehend inhaltsleer ist - sie ist nicht gerade eine Bankrotterklärung, aber sie zeugt wie kaum etwas anderes in diesem Roman von einer tiefen Verunsicherung Thomas Manns und von seinem verzweifelten Bemühen, für sich das zu gewinnen, was der Roman seinem Leser nicht mehr geben kann: Lebensmaximen, Orientierungspunkte, ein Ideen-Raster, das sein neues Selbstverständnis nach dem Ersten Weltkrieg fundamentieren und ordnen könnte" (vgl. a. Koopmann 1997a:288, 296). Der Tenor der Rede Thomas Sprechers (1995:35) ist recht ähnlich: "Die Fabel, das Handlungs-muster des ‚Zauberbergs' hört mit der Hingabe in der einen Liebesnacht, mit Fall und Er-füllung auf, und was folgt, führt aus dem ‚Verfall' im Grunde nicht heraus." Diese beiden Äußerungen sind repräsentativ für die von einem Teil der Zauberberg-Forschung vertretene Auffassung, daß die Geschichte Hans Castorps trotz Thomas Manns Bemühungen einer Umdeutung eine Verfallsgeschichte ist (vgl. z. B. Lehnert/Wessell 1991:109; Wißkirchen 1986:103; Wysling 1990:418). img/up.gif

FN 6: Zahlreiche Studien belegen, daß Thomas Mann selbst von dem Gefühl und Bewußtsein erfüllt war, anders zu sein und eine Ausnahmestellung einzunehmen. Das Empfinden der Andersartigkeit drängt sich Thomas Mann aufgrund seiner Homosexualität auf, wie die Studie Klaus Werner Böhms (1991) über Thomas Manns Verarbeitung des Stigmas der Homosexualität eindrucksvoll aufzeigt. Auch auf intellektueller Ebene sieht sich Thomas Mann häufig isoliert, wie zum Beispiel die Untersuchung von Herbert Lehnert und Eva Wessell (1991) zur Entstehungsgeschichte des Essays Goethe und Tolstoi veranschaulicht. Lehnert und Wessell stellen fest: "Die Außenseiterposition erzeugt in Thomas Mann ein ambivalentes Gefühl, er erkennt sie als die seine an und flieht sie doch immer" (1991:79). Hans Wyslings Studie Narzißmus und illusionäre Existenzform (&simg/up2;1995a) ist ein Meilenstein der Thomas-Mann-Forschung. Wysling befaßt sich eingehend mit dem Selbstverständnis Thomas Manns und beschreibt die beiden "narzißtischen Spielarten" im Werk folgendermaßen: "Immer wieder umkreist dieses Werk die eine Gestalt, die, zur Einzigkeit und Einsamkeit gesegnet und ver-flucht, an ihrer Liebesunfähigkeit zerbricht oder aber sie in der Liebe zu aller Welt zu tran-szendieren versucht. Selbstqual, von Tonio Kröger, Aschenbach und Leverkühn erfahren als Isoliertheit, Außenseitertum, Homoerotik; Selbstliebe, von Joseph, Goethe und Felix Krull erfahren als Selbstvergottung, die die Liebe der andern auf sich zieht - das sind die zwei narzißtischen Spielarten, die Thomas Mann in seinem Werk einander gegenübergestellt hat" (&simg/up2;1995a:103). Der Grund für das Fehlen Hans Castorps in dieser Aufzählung ist darin zu suchen, daß seine besondere Rolle im Zauberberg noch nicht ausreichend erforscht ist. Die Frage, ob die Figuren zu lieben imstande sind, spielt auch im Zauberberg eine wichtige Rolle und erlaubt Rückschlüsse auf eine veränderte Haltung des Autors. Die vorliegende Untersuchung rückt den Motivkomplex "Liebe" in den Kapiteln 3.3.3, 5.3 und 5.4 in den Vordergrund und beleuchtet Hans Castorps Sonderrolle in der genannten Frage. img/up.gif

FN 7: Zur Diskussion relevanter Forschungsliteratur s. die Kapitel 4 und 6.3.1 der vorliegenden Untersuchung. img/up.gif

FN 8: In einem Gespräch mit Bernard Guillemin (1925:3) gibt Thomas Mann angesichts der zahlreichen Kritiker, die im Zauberberg einen weiteren Verfallsroman erkennen, zu bedenken, daß der Abschnitt Schnee am Ende und nicht in der Mitte des Romans hätte stehen sollen: "Am ehesten möchte ich mich noch mit Hans Castorp identifizieren, insofern er im Kapitel ›Schnee‹ einen positiven Augenblick hat. Ein kompositioneller Fehler meines Buches ist, daß das Schneekapitel nicht am Ende steht. Die Linie senkt sich, anstatt sich nach oben zu wenden und in jenem positiven Erlebnis zu gipfeln" (Hervorhebung von C. G.). Die Aussage steht im Widerspruch zu anderen Kommentaren Thomas Manns, die darauf abzielen, daß der Krieg als Abschluß des Romans gedacht war. Hans Castorp sollte sich im Kampf um das Neue vom Leser verabschieden (vgl. Tb:200f.).
Beatrice Trummer (1992:113) analysiert die Selbstkommentare Thomas Manns und gelangt zu dem Schluß, daß die "Verwendung der Selbstkommentare zur Stützung einer Interpretationsthese [...] deshalb gefährlich [ist], weil sich sehr viel beweisen aber auch verwerfen läßt". img/up.gif

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Christian Gloystein
Mit mir aber ist es was anderes
Die Ausnahmestellung Hans Castorps
in Thomas Manns Roman "Der Zauberberg"

Erscheinungsdatum: 2001
broschiert
Königshausen & Neumann
ISBN: 3-82601-962-8
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